Erich Mendelsohn
Erich Mendelsohn wurde 1887 als fünftes von sechs Kindern einer Hutmacherin und eines Kaufmanns geboren. Er besuchte das humanistische Gymnasium in Allenstein und erhielt danach eine kaufmännische Ausbildung in Berlin. 1906 nahm er ein Studium der Volkswirtschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München auf. Bereits zu dieser Zeit wurde er Mitglied in der Zionistischen Vereinigung für Deutschland. 1908 begann er mit dem Studium der Architektur an der Technischen Hochschule (Berlin-) Charlottenburg, wechselte aber zwei Jahre später an die Technische Hochschule München, wo er 1912 seinen Abschluss mit dem Prädikat „cum laude“ machte. In München wurde er durch Theodor Fischer beeinflusst, der seit 1907 dort unterrichtete, aber auch durch Kontakte zu Mitgliedern des Blauen Reiters und der Brücke. Von 1912 bis 1914 arbeitete er als freier Architekt in München. 1915 heiratete er seine Verlobte Luise Maas, eine Cellistin. Durch sie lernte er den Cello spielenden Astrophysiker Erwin Freundlich kennen. Er war der Bruder von Herbert Freundlich, der als stellvertretender Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin-Dahlem ebenfalls eine führende Stellung in der Wissenschaft einnahm. Freundlich drängte auf eine experimentelle Bestätigung der Einsteinschen Relativitätstheorie durch den Bau eines dafür geeigneten Sternenobservatoriums. Die Bekanntschaft mit Freundlich führte daher zu der Beauftragung Mendelsohns, den Einsteinturm zu entwerfen und zu realisieren. Diese Beziehung und auch die familiäre Freundschaft mit den Luckenwalder Hutfabrikanten Salomon und Gustav Herrmann verhalfen Mendelsohn zu frühen Erfolgen. Aus der Zeit bis 1918 sind von Mendelsohn vor allem eine Vielzahl von Skizzen von Fabrik- und anderen großen Gebäuden bekannt, oftmals kleinformatig oder aus Briefen von der Front an seine Frau.
Nach seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg Ende 1918 gründete er sein eigenes Büro in Berlin. Mit der Realisierung des Einsteinturms und der Hutfabrik in Luckenwalde wurde Mendelsohn bekannt. Bereits 1920 widmete der Amsterdamer Hendrik Wijdeveld (1885–1987) ihm eine Nummer seiner Zeitschrift Wendingen. 1924 erschien über sein Werk ein Heft der Wasmuths Monatshefte für Baukunst. Im gleichen Jahr gründete er gemeinsam mit Ludwig Mies van der Rohe und Walter Gropius die Gruppe Der Ring, eine Vereinigung progressiver Architekten. Auf seiner Amerikareise traf er sein großes Vorbild Frank Lloyd Wright.
Sein Büro wuchs, in den besten Jahren beschäftigte er bis zu vierzig Mitarbeiter, darunter auch Richard Neutra, Hans Schwippert und Ernst Sagebiel sowie Julius Posener als Praktikant. Mendelsohn konnte seinen beruflichen Erfolg auch finanziell umsetzen. Mit nicht einmal vierzig Jahren leistete er sich 1926 den Kauf einer älteren Villa. 1928 wurde der Bauantrag für sein Haus Am Rupenhorn auf einem fast 4000 m² großen Grundstück eingereicht, das die Familie zwei Jahre später bezog. Eine aufwendige Publikation zeigte das großzügig angelegte Eigenheim, das unter anderem auch Kunstwerke von Amédée Ozenfant beherbergte. Es blieb nicht aus, dass der zu seiner Zeit umstrittene Mendelsohn damit auch Kollegenneid auf sich zog. Gemeinsam mit Ozenfant plante Mendelsohn den (schließlich gescheiterten) Aufbau der Académie Européenne Méditerranée im südfranzösischen Cavalaire-sur-Mer.
Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin
In seiner Berliner Zeit konnte sich Mendelsohn vor Aufträgen nicht retten. Beim Wohn- und Geschäftskomplex (WOGA), Kurfürstendamm 153–156, nahm er auch die Möglichkeit zur stadtplanerischen Konzeption wahr. Auf 40.000 m² führte er in formal dynamischer Weise alle Funktionen einer Stadt im Kleinen zusammen. Nach der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg und der umstrittenen Rekonstruktion durch Jürgen Sawade beherbergt das Bauensemble heute die weithin bekannte Schaubühne am Lehniner Platz.
Als Jude sah er sich im Frühjahr 1933 nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ zur Emigration nach England gezwungen. Sein nicht unbeträchtliches Vermögen wurde später von den Nationalsozialisten beschlagnahmt, aus der Preußischen Akademie der Künste wurde er ausgeschlossen. In England begann er eine Büropartnerschaft mit Serge Chermayeff, die bis Ende 1936 währte. Ab 1934 plante er für das Ehepaar Weizmann und begann eine Reihe von Projekten in Palästina. Seit langem schon kannte Mendelsohn Chaim Weizmann, den späteren ersten Staatspräsidenten Israels. 1935 eröffnete er ein Büro in Jerusalem. 1938 nahm er, nachdem er sein Londoner Büro bereits aufgelöst hatte, die britische Staatsbürgerschaft an und änderte seinen Vornamen in Eric.
Berliner Gedenktafel in Berlin-Westend (Am Rupenhorn 6) Von 1941 bis 1953 lebte Mendelsohn in den USA. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs musste er sich dort auf Vorträge und Publikationen beschränken, da er nicht über die US-amerikanische Staatsbürgerschaft verfügte. Dennoch war er in dieser Zeit beratend für die US-Regierung tätig. Unter seiner Anleitung entstand 1943 auf dem Testgelände Dugway Proving Ground in Utah das sog. Deutsche Dorf, ein realistischer Nachbau Berliner Mietskasernen. Hier wurden verschiedene Spreng- und Brandbomben in ihrer Wirkung auf die besondere Bauform getestet.[1] 1945 ließ er sich in San Francisco nieder. Danach wurden einige Projekte realisiert, im Wesentlichen für verschiedene jüdische Gemeinden. 1953 starb Mendelsohn an Krebs.