EMA - Erich Mendelsohn Archiv
Der Briefwechsel von Erich und Luise Mendelsohn 1910-1953

Über das Projekt

Erich Mendelsohn-Archiv (EMA)
Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin
in Kooperation mit dem Getty Research Institute, Los Angeles
mit Unterstützung der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung


Erich Mendelsohn (1887-1953) gilt als einer der wichtigsten Wegbereiter der architektonischen Moderne. Mit seinen zukunftsweisenden Bauten machte er das Berlin der 1920er-Jahre zu einem Experimentierfeld des Neuen Bauens. 1933 floh Mendelsohn aus Deutschland. Über die Grenzen Deutschlands hinaus wurde er ein international gefeierter Architekt mit Projekten in der Sowjetunion, Norwegen, Spanien, England, Palästina und in den USA.

Im Mittelpunkt des EMA steht der Briefwechsel zwischen Erich Mendelsohn und seiner Frau Luise. In Form einer online-Datenbank wird diese Jahrzehnte währende Korrespondenz erstmals öffentlich zugänglich gemacht. Sie beginnt im Jahr 1910, als Mendelsohn Luise Maas zum ersten Mal begegnete, und endet kurz vor seinem Tod im Juli 1953. Die Briefe geben einen faszinierenden Einblick in die Ideenwelt und die Arbeitsweise des Architekten sowie in das Leben emigrierter deutscher Juden in England, dem Britischen Mandatsgebiet Palästina und den USA. Das Lebensgefühl einer "changing civilization", so formulierte es Erich Mendelsohn, ist in den Briefen noch heute spürbar.

Jahrzehntelang war der Briefwechsel geteilt. Während die Erich-Briefe zusammen mit seinem zeichnerischen Nachlass Anfang 1975 in den Besitz der Kunstbibliothek gelangten, werden die Luise-Briefe seit 1988 im Getty Research Institute, Los Angeles, aufbewahrt. Im Jahr 2011 starteten die Kunstbibliothek und das Getty Research Institute eine transatlantische Kooperation mit dem Ziel, die Briefe in einer gemeinsamen Datenbank wieder zusammenzuführen. Insgesamt wurden für EMA 1410 Erich- und 1328 Luise-Briefe komplett digitalisiert, transkribiert und durch die renommierte Mendelsohn-Forscherin Regina Stephan mit Anmerkungen versehen. Zu Beginn des Jahres 2014 konnte das von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung finanzierte Projekt erfolgreich abgeschlossen werden.

EMA leistet auch einen Beitrag zum Gedenken an einen Architekten, der in den 1920er Jahren die Architektur in Deutschland, und besonders in Berlin, maßgeblich geprägt hat und dann durch das Dritte Reich in die Flucht getrieben wurde. Erich Mendelsohn hatte die nationalsozialistische Politik Adolf Hitlers früh durchschaut und die Folgen für die deutschen Juden richtig eingeschätzt. Er fühlte sich aus Deutschland ausgestoßen und hat nach 1933 nie mehr einen Fuß auf deutschen Boden gesetzt, sondern seine ganze Kraft für das Fortkommen seiner Familie in England, Palästina und Amerika eingesetzt. Ebenso erfüllt EMA den Wunsch von Luise Mendelsohn, den Nachlass ihres Mannes dauerhaft für die Forschung zugänglich zu machen. In einem Akt der Versöhnung hatte sie sich Anfang der 70er Jahre mit Leidenschaft dafür eingesetzt, dass die Briefe Erich Mendelsohns und sein gesamter zeichnerischer Nachlass wieder nach Berlin gelangten, an den Ort, an dem seine internationale Architektenkarriere begonnen hatte.

Die digitale Edition öffnet den Zugang zu einer Quellensammlung, die aufgrund ihrer räumlichen Trennung nie als Ganzes greifbar war. Viele Briefe waren nur von Spezialisten zu entziffern und zu deuten. EMA macht den Briefwechsel zu einem Archivschatz für alle. Architekturexperten, Historiker, Kunst- und Geschichtsbegeisterte haben die Chance, Erich und Luise beim Schreiben über die Schultern zu schauen und an ihrem außergewöhnlichen Freundes- und Bekanntenkreis teilzuhaben. Zu ihrem Umfeld gehörten Persönlichkeiten wie die Physiker Albert Einstein und Erwin Finlay Freundlich, die Familien Mosse und Heymann, die Unternehmer Simon und Salman Schocken, die Architekten Hendrikus Theodorus Wijdeveld, Frank Lloyd Wright, Richard Neutra, Ely Jacques Kahn, Richard Döcker und J.J.P. Oud, der Maler Amédée Ozenfant, der Soziologe Lewis Mumford, der Komponist Arnold Schönberg und die führenden Köpfe des deutschen und internationalen Zionismus, Kurt Blumenfeld und Chaim Weizmann.

Mit mehr als 11.000 Seiten hätte eine Faksimilierung in Buchform alle Dimensionen gesprengt. Anders die digitale Edition: Die seitenparallele Ansicht von Faksimiles und Transkripten macht die Lektüre so leicht, dass der Leser alles um sich herum vergessen und ganz in die Briefe eintauchen kann. Das umfangreiche Register ermöglicht zudem ein sicheres Navigieren durch Personen, Institutionen, Orte und Projekte. Einleitende Texte fassen die Ereignisse der jeweiligen Jahre zusammen und bieten einen ersten Einstieg in den Briefwechsel. Darüber hinaus ist die Website so konzipiert, dass die wissenschaftliche Bearbeitung der Inhalte auch in Zukunft fortgeführt werden kann.

Das EMA ist Teil einer Gesamtstrategie, die darauf zielt, die umfangreichen Sammlungen der Kunstbibliothek für Forschung und Lehre in ihrem ganzen Spektrum zugänglich zu machen (http://www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/kunstbibliothek/forschung.html). Das besondere Augenmerk liegt auf Digitalisierungs- und Forschungsprojekten zur Geschichte des Kunstmarkts sowie zur Architektur-, Fotografie-, Mode- und Designgeschichte. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Kooperationen mit den Berliner Universitäten. Ziel ist es, die Sammlungen zu einem interdisziplinären Arbeitsfeld für den wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchs zu entwickeln. Auch EMA ist ein Angebot an Studierende und an die universitäre Lehre, Kunstgeschichte auf der Basis authentischer Textquellen zu betreiben.

Prof. Dr. Moritz Wullen
Direktor Kunstbibliothek – Staatliche Museen zu Berlin

Prof. Dr. Thomas Gaehtgens
Getty Research Institute, Los Angeles