EMA - Erich Mendelsohn Archiv
Der Briefwechsel von Erich und Luise Mendelsohn 1910-1953

Erich & Luise Mendelsohn

Luise Mendelsohn geborene Maas


Luise Maas wird am 19. Mai 1894 in Mannheim geboren. Sie hat zwei ältere Schwestern, Iska und Ellen. Ihr Vater Ernst Maas ist Inhaber eines Tabakhandelsunternehmens in Mannheim. Die Familie wohnt im Quadranten L3.3 und somit direkt gegenüber dem Mannheimer Residenzschloss. Ernst Maas stirbt einundvierzigjährig 1901, als Luise noch ein kleines Mädchen ist. Ihre Mutter Rosa Maas entstammt der Königsberger Familie Magnus. Auch diese ist im internationalen Handel tätig. Sie vertreibt Tee und hat Handelsniederlassungen unter anderem in Kopenhagen und Liverpool. Luises Großvater Samuel Magnus ist gewähltes Mitglied des Königsberger Stadtrats und Vorstandsvorsitzender der jüdischen Gemeinde. Zerline Magnus, ihre Großmutter, führt ein großes Haus im Zentrum Königsbergs, Gartenstraße 4.

1908 zieht Rosa Maas mit ihren drei Töchtern nach Königsberg in die Nähe ihrer Eltern. Luise ist dann 14 Jahre alt und verbringt somit ihre Jugendzeit in der ostpreußischen Metropole. Dort ist die Familie sehr gut in die jüdische Gemeinde integriert. Luise wird ihre Jugendfreundschaften aus Königsberg, insbesondere mit den Brüdern Heymann, ein Leben lang pflegen. Sie erhält Cellounterricht bei Max Brode.

1910 lernt sie über den Medizinstudenten und Verehrer ihrer Schwester Ellen, Georg Cohn, den 23-jährigen Studenten der Architektur Erich Mendelsohn kennen, der sich sofort unsterblich in sie verliebt. Aufgrund ihres Alters von nur 16 Jahren beginnt für Erich Mendelsohn und Luise Maas eine Zeit des Reifens und Wartens auf den 21. Geburtstag, Luises Volljährigkeit. Luise vervollkommnet ihr Cellospiel bei Ludwig Lebell in London, Julius Klengel in Leipzig und Hugo Becker in Berlin. Den angestrebten Eintritt in die Königliche Hochschule für Musik in Berlin verhindert der Kriegsausbruch.

Im Oktober 1915 heiraten Erich und Luise und werden im Mai 1916 Eltern von Marie Luise Esther. Der Erste Weltkrieg bringt lange Monate des Getrenntseins, da Erich Mendelsohn 1917 in den Krieg einberufen wird und erst mit Kriegsende dauerhaft nach Berlin zurückkehren kann. In dieser Zeit tauscht sich das Paar außerordentlich intensiv in Briefen aus. Luise widmet sich seit der Geburt ihrer Tochter der Familie und setzt ihre Studien nicht mehr fort.

Nach dem Ersten Weltkrieg nutzt Luise ihre gesellschaftlichen Kontakte erfolgreich, um die architektonischen Vorstellungen Erichs bekannt und potentielle Auftraggeber auf ihn aufmerksam zu machen. Aufträge durch die Brüder Heymann, den Verleger Lachmann-Mosse und den Hutfabrikanten Gustav Herrmann gehen auf ihre Initiativen zurück. Sie begleitet ihn bei vielen Reisen – nach Holland, Palästina, Russland, Südfrankreich, England und in die Schweiz.

1933 diskutiert sie mit Erich die Frage, wie auf Hitlers Regierungsübernahme zu reagieren ist. Da sich Luise zwischen Mitte Januar und Mitte Februar 1933 in Südfrankreich aufhält, ist dieser Gedankenaustausch in Form eines regen Briefwechsels überliefert. Gemeinsam fällen sie die Entscheidung, noch im März 1933 in die Emigration zu gehen, zunächst nach Holland und Frankreich, dann nach England. Sie drängt auf die Einbürgerung in Großbritannien, um den Aufenthalt in England und im Britischen Mandatsgebiet Palästina rechtlich abzusichern. Mit Erlangung der britischen Staatsbürgerschaft 1938 werden die Mendelsohns 1939 zur wichtigsten Anlaufstelle für ihre Angehörigen, für die sie Bürgschaften übernehmen und sie somit vor der Verfolgung in Deutschland bewahren können. Luise bleibt in den 1930er Jahren bei Reisen regelmäßig in London oder Jerusalem zurück, um den Einbürgerungsprozess nicht zu gefährden und Erich vom Fortgang der Projekte im jeweilig anderen Büro berichten zu können.

1939 zieht sie mit Erich nach Jerusalem, wo sie sich knapp zwei Jahre ununterbrochen aufhalten. Als sich 1941 die Truppen des deutschen Afrikakorps unter Generalfeldmarschall Erwin Rommel Palästina nähern fliehen sie auf einem abenteuerlichen Weg in die USA. Dort beginnt Luise erneut, Erich bei der Akquise zu unterstützen.

Zunächst jedoch reisen die Mendelsohns zweieinhalb Monate durch die USA, um das Land besser kennen zu lernen. Anschließend lassen sie sich in Croton-on-Hudson nieder, um nach Kriegsende 1945 nach San Francisco umzuziehen. Die Stadt am Pazifik empfinden sie als klimatisch begünstigt. Sofort beginnt Luise, gesellschaftliche Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Die Mendelsohns werden erneut Anlaufpunkt zahlreicher Besucher aus dem In- und Ausland. Ende April 1947 werden sie amerikanische Staatsbürger.

Luise hat zwei Freundinnen, die sie seit vielen Jahren kennt und sie oft auf eigenen Reisen begleiten: Hede Vasen und Marianne Hahn. Luise unterstützt ihre mittlerweile geschiedene Tochter Esther dabei, in San Francisco Fuß zu fassen.

Nach Mendelsohns Tod im September 1953 ordnet sie seinen Nachlass zusammen mit dem jungen Architekten Rick Hunter und Lotte Schiller, der Frau seines Assistenten Hans Schiller, der ihm aus Deutschland nach Palästina und in die USA gefolgt ist. Luise entwickelt die Idee, Erichs Nachlass zur Keimzelle eines neu zu gründenden Architekturmuseums zu machen, für das sie bereits Werbebroschüren drucken lässt. Doch die Pläne finden keine hinreichende Unterstützung.

Sie reist in den folgenden Jahrzehnten außerordentlich viel – auch nach Deutschland – und schreibt ihre 960 Typoskriptseiten umfassenden Memoiren My Life in a Changing World. Fünf Jahre vor ihrem Tod verkauft sie 1975 den Nachlass Erich Mendelsohns an die Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin. Zu diesem gehören alle in Mendelsohns Besitz befindlichen Skizzen, die Vortragsmanu- und typoskripte, seine Diasammlung, seine Fachbibliothek, die Fotografien seiner Bauten und seine Korrespondenz mit ihr, mit Kollegen und Auftraggebern. Luise Mendelsohn stirbt am 30. Oktober 1980 in San Francisco.

Ihre Tochter Esther verkauft 1988 Luises Nachlass an das Getty Research Institute, Los Angeles. Er umfasst ihre Briefe an Erich sowie weitere Korrespondenzen, die privaten Fotoalben und je eine Akte über die Idee eines National Building Museums und den Verkauf von Erichs Nachlass an die Kunstbibliothek.